Das mobile Teleskop
Über das Anschaffen eines Fernglases - oder Feldstechers, wie dieses in der Schweiz üblicherweise genannt wird....
Leider musste ich Einiges an Lehrgeld bezahlen, bis ich für meine Zwecke (nicht nur für die Astronomie) geeignete Ferngläser in meinem Fundus zur Verfügung habe, die auch wirklich Freude bereiten. Zum Teil bereits über Jahrzehnte! Oft war es eine grottenschlechte Qualität, die das Trennen von einigen Ferngläsern bewirkte. Und dies nicht nur bei Billiggeräten!!: Grossfernglas TS-Triplet-APO 100mm / 90°
Vielleicht helfen folgende Zeilen, dieses Lehr- Geld einsparen zu können? Dann wäre der Zweck der folgenden Informationen erfüllt.
Selber bin ich kein Optiker, Experte oder diesbezüglicher Fachmann. Da man aber bekanntlich faule Eier auch erkennen kann, wenn man selber des Legens derselben nicht befähigt ist...
Für das visuelle Beobachten des Sternenhimmels ist ein Fernglas ein fantastisches Instrument, um aus dem Wunderwerk der Natur - unserem Auge – einfach und eindrucksvoll noch viel mehr herauszuholen. Zudem ist ein Fernglas mit seiner Handlichkeit sofort einsatzbereit. Das zweiäugige Betrachten wirkt entspannend und das Bild erscheint plastisch.
Aus meiner Sicht gehört ein Fernglas in jeden gut assortierten Haushalt. Auch wenn niemand in diesem Haushalt als Himmelsbeobachter tätig ist. Der Einsatz eines Fernglases ist sehr vielfältig. Mit einem Fernglas 8x32 - 8-fache Vergrösserung und einem 32mm Objektivdurchmesser (= Öffnung) - ist man für nahezu alle Einsatzgebiete gewappnet. Nicht generell für alles maximal aber meist gut.
Leider wirken sich viele wünschenswerte Eigenschaften konträr aus. Für die Astronomie ist für das Beobachten von dunklen Deepsky- Objekten eine grosse Austrittspupille (um 6mm) von Vorteil. Die Austrittspupille berechnet sich mit der Division der Öffnung mit der Vergrösserung. Bei einem 8x32 Fernglas ergibt dies mit 32mm : 8 = 4mm Austrittspupille. Je stärker die Vergrösserung desto grösser muss für eine konstante Austrittspupille auch die Öffnung sein. Das wünschenswerte, geringe Gewicht des Fernglases wird aber mit steigender Öffnung höher.
Eine hohe Vergrösserung steigert die Erkennbarkeit von Details. Dabei lässt aber das Zittern der Hände rasch das Bild verschwimmen. Für freihändig eingesetzte Ferngläser benötigt es bereits bei einer 10- fachen Vergrösserung überdurchschnittlich ruhige Hände. Während man bei einem Blick in die Landschaft noch Gelegenheiten findet, um sich mit den Ellenbogen irgendwo abzustützen, ist dies bei einer Himmelsbeobachtung selten bis nie der Fall.
Leider sieht man in der Werbung oft zierliche männliche und weibliche Models, die mit einem fast 2kg schweren 10x70- Fernglas freihändig nach oben blicken. Das kann man. Vielleicht für eine sehr kurze Zeit sogar ruhig. Aber mit dieser Schwerstarbeit den Grossen Orionnebel längere Zeit beobachten?
Es gibt Ferngläser mit Vergrösserungen bis 20-fach und weit darüber. Diese Ferngläser müssen zwingend auf einem Stativ eingesetzt werden. Alternativ sind High-Tech- Ferngläser mit eingebauter Bildstabilisierung erhältlich. Früher rein mechanisch heute mittelst Lagesensoren elektronisch. Aber diese Geräte sind neben den deutlich höheren Preisen auch schwerer. Suboptimal für einen längeren, freihändigen Einsatz. Aber sehr gut für einen kurzen, klärenden Blick.
Meine aktuelle Fernglassammlung mit den wichtigsten technischen Daten meiner einzelnen Ferngläser sowie eine intuitive Eignungsempfehlung sind auf meiner Fernglasliste [52 KB]
zusammen gefasst.
Noch eine Erklärung bezüglich den in einem Fernglas verbauten Prismen: Diese bewirken die seitenrichtige Bildumkehr des auf dem Kopf stehenden Bildes des Objektives. Generell werden heute zwei grundlegende (z.T. mit Abwandlungen) Prismenarten verbaut: Das Porro- und das Dachkant-Prisma. Mit einem Porroprisma wird die Fertigung eines Fernglases weniger aufwändig und somit ein Porro- Fernglas günstiger als ein Dachkant- Fernglas gleicher Leistung und Qualität. Durch die Porro- Bauform kommen die beiden Objektive weiter auseinander zu liegen als bei der Dachkant- Bauform. Nachteil ist, dass dadurch das Porro- Fernglas etwas «sperriger» wird. Vorteil ist die dadurch höhere «plastische» Wirkung des Bildes. Ich selber bevorzuge deswegen die Porro- Bauform. Die "Big Three" in der Branche (Leica, Swarovski, Zeiss) haben sich aber heute auf Dachkant- Bauformen eingeschossen. Alleine Swarovski bietet mit der traditionellen Habicht-Linie noch je ein 8x30 und 10x40 Porro- Fernglas in hoher Qualität an. Andere deutsche "Grössen" (u.a. Eschenbach, Minox, Steiner) haben noch diverse Porro- Bauformen in ihrem Programm.
Die sinnvolle Vergrösserung eines ausschliesslich freihändig geführten Fernglases bewegt sich zwischen 6- und 10-fach. Darunter finden sich die Theater-/Operngläser (um 3- fache Vergrösserung) und darüber Grossferngläser, die zwingend ein Stativ benötigen. Bereits ein längerer, freihändiger Einsatz mit einer 10- fachen Vergrösserung erfordert überdurchschnittlich ruhige und bei einer gewichtigen, grossen Öffnung auch starke Hände.
Bezüglich Öffnung (=Objektivdurchmesser) ordne ich Ferngläser mit um 20mm als Taschen-, 30-40mm als Universal- und ab 50mm als Dämmerungs- Fernglas ein. "Eine grosse Objektiv- Öffnung kann nur durch eine noch grössere Objektiv- Öffnung ersetzt werden!" Diese - seit rund 100 Jahre gegoltene - Aussage muss heute relativiert werden. Durch Verwendung von modernen Sondergläser und Beschichtungen der Linsen/Prismen (Vergütung!) konnte die Transmission des Fernglases stetig gesteigert werden. Die Transmission sagt aus, wieviel Prozent des vom Objektiv eingesammelten Lichtes wirklich beim Auge ankommt. Bei sehr guten (und teuren!) Produkten sind dies deutlich über 90%. Bei Dämmerlicht kann ein 8x42 mit guter Transmission problemlos mit einem 8x56 mit schlechter Transmission mithalten.
Wünscht man sich bezüglich Optik, Mechanik und Fertigung das Beste vom Besten kommt man neben den "Big Three" der Optikbranche nicht vorbei. Hier findet man Ferngläser, die das physikalisch Machbare maximal ausreizen und dies bei der Preisgestaltung auch zeigen. Es gibt aber sehr viele Hersteller, die zu deutlich geringeren Preisen fast Gleichwertiges anbieten. Bei optischen Geräten bekommt man nie für einen doppelten Preis auch doppelte Leistung. Oft erkennen sogar Profis kaum Unterschiede zwischen einem High-End und einem guten Mittelklasse- Fernglas. Testberichte zeigen es immer wieder. Zudem schaut jeder Mensch etwas anders. Deshalb ist ein Ausprobieren zwingend.
Das Ziel eines guten Fernglases ist es, das eingefangene Licht möglichst ohne Verfälschungen und Verluste ins Auge zu bringen. Will man diesem Ziel immer perfekter in seine Nähe kommen, wird es um Potenzen teuerer. Es muss zwar nicht unbedingt das Beste vom Besten sein; aber ein tiefpreisiges Noname- Fernglas führt mit grosser Sicherheit zu einer Enttäuschung. Oder man hat vorher nie durch ein wirklich gutes Fernglas geschaut. Ich kenne Besitzer von qualitativ schlechten Ferngläser, die erst mit dem Blick durch ein Qualitätsfernglas erkennen mussten, dass sie mit dem ihrigen wie durch ein Aquarium gucken....
Was für «Tiefschläge» bieten Ferngläser von schlechter Qualität? - Etliche! Folgend eine Auswahl meiner Erfahrungen:
- Tunnelblick: Das Gesichtsfeld ist sehr eng begrenzt; man sieht viel schwarz um die Bildscheibe
- Unrunde Bildscheibe: Die Grösse des Prismas ist zu klein und beschneidet die Bildscheibe
- Mühsames Einblickverhalten: Störende "Schattenbildung" beim Einblicken; "Suchen" des Bildes
- Unschärfe: Das Bild ist nicht richtig scharf zu bekommen
- Randunschärfe: Die Bildmitte ist scharf und gegen den Rand wird das Bild rasch unscharf
- Flauher Kontrast: Das Bild erscheint neblig, wie durch eine verschmutzte Brille
- Starker Globuseffekt: Durch starke Verzerrungen hervorgerufener - oft irritierender - Effekt beim Schwenken des Fernglases
- Verzerrungen: Geradlinige Kanten erscheinen durch das Fenglas gebogen. Gegen den Rand nimmt dieser Effekt zu
- Farbfehler: Sehr helle Kanten, oft auch der Bildrand, wirken nicht klar und scharf sondern diffus. In schlimmen Fällen weisen diese diffusen Kanten Regenbogenfarben aus
- Geisterbilder: Durch Reflexionen innerhalb des Gerätes erzeugtes Streulicht neigt zur Bildung von Lichtflecken; typisch bei Billig- Gläsern mit unvergüteten Linsen/Prismen
- Schielen: Sind die beiden Tuben optisch nicht genau auf denselben Punkt ausgerichtet, erhält man kein einheitliches Bild
- Beschlagen der Linsen: Infolge mangelnder Abdichtung kondensiert sich eindringende Feuchtigkeit an den Linsen/Prismen
- Verschiedene Austrittspupillen, unterschiedliche Lage derselben: Ergibt zwei total verschiedene Bilder
- Wackelige Fokussiermechanik: Unbeständige Bildschärfe
Zuletzt noch meine Erfahrungen mit einem Zoom- Fernglas. Ich hatte in meinen Anfängen als Amateurastronom anhand einer Aktion des Touring-Club-Schweiz (TCS) ein Zoom- Fernglas 10-22x50 erstanden. Anstelle des Hersteller- Logos (Recherchen ergaben ein Produkt von "Admiral") war dasjenige des TCS aufgeklebt. Die Grundidee fand ich faszinierend. Neben der tollen Öffnung von 50mm eine stufenlose Vergrösserung. Zudem war das ganze Gerät mit einer schützenden Gummiarmierung versehen. Leider war die Ernüchterung rasch da. Die Zoom-Funktion erbrachte (wohl durch die Vielzahl an den dazu notwendigen Linsen) einen schlimmen Tunnelblick. Je nach Zoom- Stellung grösser oder kleiner. Für astronomische Beobachtungen war die Austrittspupille im Bereich 2,3-5mm klein. Das Fernglas war schwer und zudem musste mit dem Verändern der Vergrösserung auch stetig nachfokussiert werden. Schlimm war auch, dass das Fernglas nicht dicht war und sich oft die inneren, nicht zugänglichen, Linsen beschlugen. Das Gerät war mit knapp 300 Franken Verkaufspreis auch nicht gerade günstig. Neben dem eingangs erwähnten Grossfernglas mein zweitschlimmster Fernglas- Fehlkauf! Es hat sicher seinen Grund, wenn Zoom- Ferngläser ausschliesslich im Billigbereich zu finden sind...